Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) hat am 26. November 2019 im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Bonn einen Workshop zum Thema „Niederwasser und die Folgen für die Rheinschifffahrt“ veranstaltet.
Neun Referenten und elf Podiumsmitglieder tauschten auf dem Workshop ihre Ansichten über Niedrigwasser aus und diskutierten mit den 150 anwesenden Teilnehmern über die Herausforderungen für die Rheinschifffahrt. Die Zielsetzung des Workshops, die Binnenschifffahrt bei der Bewältigung der Herausforderungen von Niedrigwassern zu unterstützen und die Diskussion über Bewältigungsstrategien anzuregen, wurde durch die aktive Mitwirkung hochrangiger Teilnehmer von Industrie, Verwaltung, Flusskommissionen, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus sechs europäischen Ländern sowie Vertretern der Europäischen Kommission rege unterstützt. Die Vielfalt der Teilnehmer ermöglichte es, die Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und bot eine einzigartige Gelegenheit, die Standpunkte aus der Sicht aller wichtigen Akteure der Binnenschifffahrt zu diskutieren.
Barbara Schäfer vom BMVI begrüßte die Teilnehmer im Namen des Präsidenten der ZKR, Herrn Achim Wehrmann. In ihrem Grußwort erinnerte sie an die zweite Jahreshälfte 2018, als zahlreiche Güter- und Fahrgastkabinenschiffe den Rhein in Teilen nicht mehr bzw. nur mit erheblich reduzierter Ladung passieren konnten. Dies führte zu einem Rückgang des Güterverkehrs verbunden mit erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten und Auswirkungen auf die gesamte deutsche Wirtschaft. Die Logistikketten, insbesondere für Rohstoffe (Eisenerz, Kohle) und Endprodukte der chemischen und petrochemischen Industrie, sowie der Containerverkehr wurden stark beeinträchtigt. Nach der Niederwasserperiode 2018 entwickelte das Bundesministerium den Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“, um zum Beispiel die Wasserstandsvorhersagen zu verbessern, aktuelle Informationen über die Tiefe der Fahrrinne bereitzustellen, Transportkonzepte und Schiffe anzupassen, den Ausbau der Infrastruktur zu beschleunigen und den gesellschaftlichen Dialog zu verbessern.
In seinem Grundsatzreferat stellte Michael Heinz, ZKR Kommissar und Leiter der Abteilung Umwelt, Technik und Wassertourismus in der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, einen Ansatz für eine Analyse des Gesamtsystems Binnenschifffahrt vor. Er betonte, dass der Rhein im weltweiten Vergleich ein hydrologisch relativ ausgeglichener Fluss sei und daher nicht schlechtgeredet werden sollte. Er sei mit Intelligenz, Respekt und Umsicht zum Wohle aller zu nutzen und zu gestalten. Der Rhein hat grundsätzlich kein Kapazitätsproblem, sondern stellt die Schifffahrt vor Nutzungsherausforderungen. Die Rheinflotte und die Anforderungen an den Verkehrsträger haben sich in den letzten Jahrzehnten signifikant verändert. Sowohl die Schiffsgröße als auch der Tiefgang sind deutlich gestiegen. Daher ist die gesamte Logistikkette, von der Industrie bis zu den Reedereien, anfälliger für Niedrigwasserperioden geworden. Gleichzeitig stellt die Einbindung in industrielle Logistikketten und die damit verbundenen hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Transporte eine große Herausforderung für diesen Verkehrsträger dar.
Jörg Uwe Belz, Forscher an der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz und Vertreter der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR), erläuterte in seinem Vortrag die Niedrigwassersituation 2018 in Europa. Für den Rhein als Fluss mit dynamischer Wasserführung ist eine Niedrigwasserperiode wie 2018 nichts Ungewöhnliches und daher auch in Zukunft zu erwarten. In den letzten 200 Jahren waren 15 Jahre zu verzeichnen, in denen die Schifffahrt auf dem Rhein – gemessen an den heutigen Infrastrukturanforderungen – mindestens an ebenso vielen Tage behindert gewesen wäre, wobei die Situation in fünf dieser Jahre noch ausgeprägter war. Diese 15 Jahre liegen jedoch alle vor 1972.
Norbert Kriedel, Referent für Statistikfragen und Marktbeobachtung der ZKR, gab Einblicke in die makroökonomischen Effekte von Niedrigwasserperioden am Rhein und betrachtete dabei insbesondere die negativen Auswirkungen auf die deutsche Industrieproduktion. Philip Tomaskowicz, Leiter Schifffahrt bei Rhenus PartnerShip, informierte die Workshopteilnehmer über die wirtschaftlichen Folgen aus Sicht eines großen Binnenschifffahrtsunternehmens und die in solchen Situationen zu bewältigenden Herausforderungen.
Wytze de Boer, Senior Projektmanager Schiffe, Transport und Shipping bei MARIN, erläuterte, wie Schiffe in Zukunft angepasst werden sollten, um auch bei sehr niedrigen Wasserständen fahren zu können. Um die Bandbreite möglicher Anpassungsmaßnahmen zu ergründen, laufen derzeit mehrere Projekte und Studien. Schiffe können für einen effizienten Einsatz im Flachoder Tiefwasser optimiert werden. Letztlich entscheiden jedoch die Reedereien, in welches Optimierungsszenario sie investieren wollen.
Cok Vinke, Geschäftsführer der Contargo Waterway Logistics BV, berichtete über die Flotte des Unternehmens und die Schiffe, die während der Niedrigwasserperiode 2018 noch gut betrieben werden konnten. Contargo habe aufgrund der Erfahrungen aus früheren Niedrigwasserperioden beispielsweise das Heck von vier seiner Schiffe modifiziert, um den Druck auf den Propeller zu erhöhen. Damit können die Schiffe bei Niedrigwasser effizienter fahren. Er wies aber auch auf die Grenzen solcher Anpassungsmaßnahmen hin, z. B. ihre starke Abhängigkeit von der Erfahrung der Besatzungen. Zwar sollten Binnenschiffe an jede Situation angepasst und vielseitig einsetzbar sein, um wirtschaftlich rentabel zu sein; gut qualifizierte Besatzungen seien jedoch unerlässlich.
Die Medienmitteilung finden Sie in den weiteren Sprachen auf der Webseite der ZKR: www.ccr-zkr.org